Frau Niedack, sie sind seit Oktober 2020 Fachbereichsleiterin im ITDZ Berlin und damit in einer Branche, in der nach wie vor mehr Männer als Frauen arbeiten. Wie fühlt sich das an?
Ich kann nicht beurteilen, wie es sich als Julian Niedack anfühlen würde, den Fachbereich Prozess- und Organisationsmanagement zu führen. Aber für mich als Julia Niedack ist das kein großes Thema. Worauf ich eher angesprochen werde ist der Umstand, dass ich noch sehr jung bin und eine Führungsposition innehabe. In den Gesprächen kommt aber immer ganz schnell die Fachexpertise durch und dann ist auch das schnell vergessen. Das Schöne in meinem Job im ITDZ Berlin ist, dass wir uns immer auf Augenhöhe begegnen, egal, wen man vor sich hat, welche Hierarchieebene oder welches Geschlecht – das macht wirklich Spaß und ist eine tolle Arbeitsgrundlage.
Kommen wir zu ihrem Weg ins ITDZ Berlin. Wie ist der verlaufen?
Ich war damals bereits im Prozessmanagement aktiv und wollte eine berufliche Veränderung. Ich habe mich ganz regulär umgeschaut, was es für Stellen auf dem Markt gibt und habe dann die Ausschreibung zur Prozess- und Organisationsmanagerin im ITDZ Berlin entdeckt. Für mich war eigentlich schon beim dritten Bullet Point klar: Da steht doch mein Name drin.
Auch im Vergleich zu anderen Stellenausschreibungen, hat es sich richtig angefühlt. Und der Eindruck hat sich dann bestätigt, als ich im Vorstellungsgespräch war. Als es hieß „wir melden uns bei Ihnen, wir machen noch die Runde an Gesprächen fertig“ habe ich es tatsächlich nicht ausgehalten und gleich am nächsten Tag zu einer halbwegs vertretbaren Zeit angerufen und gefragt: Können sie mir schon eine Rückmeldung geben? Es hat sich einfach von Anfang an richtig angefühlt – und ich kann heute sagen, mein Gefühl hat mich nicht betrogen.
Heute leiten sie den Fachbereich Prozess- und Organisationsmanagement. Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?
Wir als Prozessmanagement Team haben die Aufgabe für alle Mitarbeitenden – und am Ende auch für die Kundinnen und Kunden des ITDZ Berlin einen Mehrwert zu schaffen, indem wir uns anschauen, wie die Arbeitsabläufe aussehen und wer beteiligt werden muss, damit wir am Ende der Kundin oder dem Kunden die Leistungen x, y und z anbieten können. Unsere Frage lautet also: Wer muss zu welcher Zeit, was, in welchem System und in welcher Qualität machen, damit wir ausliefern können? Dazu brauchen wir im Prozessmanagement als Grundlage zum einen die Methodik dahinter, also wie modelliert, strukturiert und optimiert man einen Prozess und zum anderen auch ein großes, breites Verständnis von den Dingen, die wir hier im Haus tun, ohne fachlich wirklich tief einsteigen zu können.
Soweit zur Theorie. Wie sieht dann die praktische Umsetzung aus?
Da ist es erst einmal wichtig zu identifizieren, mit wem wir reden müssen und welche Auswirkungen es haben kann, wenn wir mit Bereich A Vereinbarungen treffen und einen Prozess definieren. Hat das auch Auswirkungen auf die Bereiche B, C und D, die jeweils vor- oder nachgelagert arbeiten? Das ist ein ganz entscheidender Punkt, denn das Ziel ist, dass wir in Gesprächen mit allen Beteiligten gemeinschaftlich auf eine Basis kommen. Nur so können dann auch alle sagen: Ja genauso machen wir das, das ist die richtige Reihenfolge. Vereinfacht ausgedrückt, ist es unsere Aufgabe ein gemeinsames Commitment herzustellen.
Eine Prozessmodellierung ist also die Visualisierung von einem vereinbarten Ablauf und alle Beteiligten müssen sich im Tagesgeschäft daranhalten, damit dieser Prozess in der realen Welt seine volle Wirkung entfalten kann. Am Ende sind wir dann auch immer darauf angewiesen, Rückmeldung zu erhalten, ob das, was vereinbart wurde den Praxistest besteht oder welchen Bereich wir ggf. noch involvieren müssen, den wir noch gar nicht auf dem Schirm hatten.
Was ist die größte Herausforderung in ihrem Job?
Ich glaube, das hat mit dem Prozessmanagement an sich zu tun, aber auch mit der Diversität des Hauses. Denn manchmal, wenn man meint, man hat die augenscheinlich involvierten Parteien an einen Tisch geholt und einen entsprechenden Entwurfsstand ausgearbeitet, kommt auf einmal auf den verrücktesten Wegen jemand und sagt: Moment, ich habe da auch einen Anteil dran! Das kann sich dann entweder herausstellen als: „Du hast auf jeden Fall einen Bedarf, der aber in dem Kontext nicht hundertprozentig passt und den wir in diesem Prozess nicht berücksichtigen können“ oder „Ja selbstverständlich müssen wir dich mit einbinden.“ Die Herausforderung besteht dann darin so zu kommunizieren, dass es allen Beteiligten einleuchtet – sie sollen ja schließlich auch hinter dem Prozess stehen. Dazu müssen wir Beteiligten auch immer wieder Zugeständnisse abringen. Es ist also ganz entscheidend, den Mitarbeitenden zu vermitteln, dass das große Ganze (bspw. die reibungslose Leistungserbringung für Produkt A) im Vordergrund steht – nur so kann man sie auch mitnehmen. Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass die Kolleginnen und Kollegen sich zum Schluss freuen und sagen: Fantastisch, jetzt haben wir mal etwas, worauf wir uns berufen können und was wir auch neuen Mitarbeitenden an die Hand geben können. Das gestaltet auch die Einarbeitung effizienter.
Prozessmanagement hat also auch immer eine zwischenmenschliche Komponente?
Ja. Ein Prozess, ein modellierter Prozess, dieses zweidimensionale Gebilde, Kästchen an Kästchen und vielleicht noch eine Raute dazwischen – das ist die Visualisierung. So zeigen wir in einer klar definierten Modellierungssprache, was wir meinen. Wie wir dahin kommen bedeutet Moderation und Kommunikation – in diversen Workshops, in Abstimmungsrunden in den Fachbereichen, über Fachbereichs- und Abteilungsgrenzen hinaus. Das schließt bei weitem nicht nur die direkt beteiligten Kolleginnen und Kollegen ein, sondern umfasst alle Mitarbeitenden, auf deren Arbeitsweise der Prozess Einfluss hat.
Hierbei unterstützt uns ein Netzwerk aus Kolleginnen und Kollegen, die über ihre Linientätigkeit hinaus explizite Rollen im Rahmen des Prozessmanagements ausüben (bspw. Prozessverantwortlichen und -koordinierenden), welches wir gemeinsam mit der Zeit aufgebaut haben. So stellen wir sicher, dass es keinen Raum für Missverständnisse gibt oder diese vor Gültigkeitstermin des Prozesses ausgeräumt werden können. Da ist also ganz viel Veränderungsmanagement drum herum, welches notwendig ist, um dann am Ende einen von allen akzeptierten Prozess visuell darzustellen.
Das kling wirklich spannend.
Ja, ich liebe meinen Job!
Welche Auswirkungen haben denn die internen Prozesse des ITDZ Berlin für das Land?
Ganz maßgebliche. Wenn jede und jeder weiß, was sie oder er prozessual zu tun hat, dann haben wir die Möglichkeit, einen Prozess schnell von Anfang bis Ende durchlaufen zu lassen, sprich wir können den Kundinnen und Kunden in einer standardisiert hohen Qualität und in einer vertretbar definierten Zeit das Produkt oder die Dienstleistung zukommen lassen.
Der Prozess bildet z. B. auch ab, mit welchem System wir arbeiten, welche Informationen im System vorhanden sind und was noch nachgetragen werden muss. Bei einem workflowunterstützten Prozess kann das Kundenmanagement bspw. einsehen, in welchem Bereich die Leistungserbringung gerade liegt und muss sich dafür nicht durch das Haus telefonieren. So sind wir gegenüber unseren Kundinnen und Kunden schneller aussagefähig. Die Prozesse sind quasi die Rezepte dessen, was wir für die Kundinnen und Kunden am Ende des Tages erbringen.
Gibt es vielleicht ein Beispiel, dass es anschaulicher macht?
Dafür verwende ich gerne das Spaghetti-Bolognese-Beispiel, denn ich kenne niemanden, der das Gericht nicht mag. Wenn man vorhat, für seine Freunde Spaghetti Bolognese zu kochen, sind dafür – ähnlich wie bei der Bereitstellung von Produkten – bestimmte Schritte notwendig, damit am Ende des Tages das Essen auf einem Teller rechtzeitig und warm auf dem Tisch steht.
Am Anfang kommt natürlich das Einkaufen. Dazu schreibt man sich einen Einkaufszettel und überlegt sich dann, welche Zutaten man wo bekommt (vorgelagerter Prozess). Wenn man sich dann auf das Kochen konzentrieren möchte, könnte man eine andere Person bitten, den Tisch zu decken (Parallelität und einer anderen Durchführungsverantwortung). Mit einer genau definierten Vorgabe (Prozessablauf) ist diese Person in der Lage, komplett unabhängig den Tisch zu decken, während man selber in der Küche steht. Schließlich kommt dann das Kochen. Auch dafür hat man einen vorher definierten Ablauf im Kopf – das Rezept.
Diese Zusammenhänge von unterschiedlichen Strängen: einkaufen, Tisch decken und kochen, verdeutlichen ganz gut, wie unterschiedliche Themen miteinander zusammenspielen müssen, damit ein Ziel erreicht wird. Denn wenn die Prozesse klar definiert und standardisiert sind, ist es im Grunde egal, ob wir Spaghetti Bolognese kochen oder einen Server oder eine Software bereitstellen – am Ende haben wir die Aufgabe erfolgreich und fristgerecht durchgeführt und Freunde bzw. Kunde und Kundinnen sind zufrieden.
Standardisierung ist nicht nur für das ITDZ Berlin ein wichtiges Thema. Können Sie uns erläutern, warum Prozesse auch immer eine Form von Standardisierung sind und welche Vorteile das hat?
Standardisierung bedeutet ja, wir definieren ein einheitliches, identisches Vorgehen und erfinden das Rad nicht immer wieder neu. Natürlich kann man nicht alles mit einem Prozess abbilden, es gibt immer wieder Besonderheiten, die ihre Daseinsberechtigung haben. Die sind aber im besten Fall ebenso definiert.
Standardisierung hat den Vorteil, dass wir mit definierten Arbeitsabläufen und zugewiesenen Verantwortlichkeiten ganz viel an Masse abarbeiten können und uns nicht jedes Mal fragen- wie machen wir es denn eigentlich? Mit Standardisierung haben wir ein Vorgehen definiert, das zu dem gewünschten Ergebnis in der gewünschten Zeit führt. Und wir können es repetitiv und skalierbar immer wieder abrufen.
Sind Sie auch privat besonders organisiert und strukturiert oder leben Sie den Ausgleich zum Beruf?
Ich schätze einen guten Plan, in dem ausreichend Platz für die unerwarteten und spontanen Dinge des Lebens ist.
Vielen Dank für das Gespräch.